Politik

Forderungen nach Maßnahmen gegen den vom Flughafen verursachten Lärm gab es schon lange. Der Flughafen argumentierte regelmäßig mit den restriktiven Betriebszeiten von 6:30 Uhr bis 20:00 Uhr und der Einführung der lärmabhängigen Gebühren. Dabei wird der Zeitraum der vom BMVIT definierten Betriebszeit des Innsbrucker Flughafens durch Ausnahmen sowohl auf 6 Uhr vorverlegt als auch bis 22:00 (Starts) bzw. sogar 23:00 Uhr (Landungen) nach hinten verlängert.
Die zusätzlichen Einnahmen aus den lärmabhängigen Gebühren für besonders laute Flugzeuge kamen nie den Anrainern zugute sondern wurden den Fluggesellschaften mit leiseren Maschinen gutgeschrieben. Ein Nullsummenspiel für den Flughafen. Für die Anrainer gab es nur den Vorteil daraus, dass eine Fluggesellschaften aus diesem finanziellen Grund möglicherweise freiwillig auf leiseres Fluggerät umstellt. Die Historie rund um die Erstellung der lärmabhängigen Gebühren auf Basis des Modells des Flughafens Zürich war ja reich an Absurdidäten: unvergessen die groteske Situation, dass wegen einer angeblichen Verwechslung von Excelspalten durch den Gutachter die leisen Flugzeuge pönalisiert wurden. Ebenso bizarr, dass nicht die tatsächlich Innsbruck anfliegenden Fluggeräte untersucht wurden sondern in sinn- und kritikloser Übernahme jene Flugzeugtypen, die den Flughafen Zürich anflogen Und schließlich wurde vom Flughafen immer auf die fehlende gesetzliche Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie verwiesen, die dann bei Erscheinen eine objektive Beurteilung des vom Flugbetrieb erzeugten Lärms ermöglichen sollte. Dabei wussten die Verantwortlichen des Flughafens schon damals, dass die verordneten Lärmgrenzwerte nicht primär nach den medizinischen Bedürfnissen der lärmgeplagten Anrainer ausgelegt werden sondern so, dass offiziell möglichst wenige, im Idealfall null Betroffene ausgewiesen werden müssen. Dazu diente auch das Berechnungsverfahren, das nur den Lärm des Flugzeuges in der Luft (also ohne Beschleunigungs- und Bremsphase auf der Piste und Rangieren) berücksichtigt.
Eine realistische Beschreibung der damaligen politischen Situation und inhaltlichen Diskussion zum Flughafen um das Jahr 2007 kann im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 28. Juni 2007 nachgelesen werden.

LINK zur pdf: GR 28_06_2007_Flughafendiskussion

Bei der interessanten Lektüre lässt sich dann erleben, mit welchem Engagement seitens der Innsbrucker Grünen die Interessen der Bevölkerung artikuliert wurden und mit welcher Inkompetenz und Stereotypen seitens der damaligen Stadtregierung VP, SP und FI (VizeBgm Sprenger, StR Peer, GR Haller) argumentiert wurde. Sprenger, Peer und Haller sind inzwischen politisch Geschichte, die Grünen nun in der Stadtregierung vertreten und ein neuer Flughafendirektor DI Pernetta ist seit Frühjahr 2014 im Amt. Dieser Wechsel an Personen und politischen Mehrheiten führte offensichtlich zu einem neuen Umgang mit dem Thema „Fluglärm“: weg vom inkompetenten und überheblichen Drüberfahren hin zu einem Versuch, die Interessen der betroffenen Anrainer besser zu definieren und diese als nachvollziehbar anzuerkennen. In Zusammenarbeit mit den tüchtigen Beamten auf Landes- und Stadtebene wurden erstmalig Maßnahmen vorgeschlagen, die nicht auf Basis der verordneten hohen Grenzwerte der Bundeslärmschutzgesetz-Verordnung sondern auf Basis der gesundheitlich relevanten Werte erfolgt. Die fachlich begründete Verringerung des Grenzwertes des Dauerschallpegels von 65 dB auf 60 dB führt dazu, dass nun formal nicht mehr nur 4 Personen im Umkreis des Flughafens als betroffen eingestuft werden sondern 1250 Wohnungen mit 2200 Personen.
Ob diese Grenze von 60 dB Dauerschallpegel ohne Berücksichtigung der tatsächlichen topographischen Situation und ohne Berücksichtigung des Lärms von Start- und Landevorgängen auf der Piste alle wirklich Betroffenen erfasst, sei zunächst dahingestellt. Jedenfalls konnte in offensichtlich guter Kooperation von Stadtpolitik, Flughafen (Direktor und Aufsichtsrat) und den zuständigen Beamten ein erstes Paket geschnürt werden, wo der Flughafen bereit ist, max. 200.000 € jährlich als Unterstützung für den Einbau von Lärmschutzfenstern zur Verfügung zu stellen. Wie dieses Angebot vom Kreis der Betroffenen angenommen werden kann und wird, wird sich spätestens Ende des Jahres herausstellen. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Förderung von Lärmschutzfenstern sind auf der homepage der Stadt Innsbruck beschrieben.
https://www.innsbruck.gv.at/page.cfm?vpath=wohnen/foerderungen/laermschutz

Die Voraussetzungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Wohnlage innerhalb der Zone mit Dauerschallpegel ≥ 60 dB bzw. Nachtpegel ≥ 55 dB (Adressenliste)
  • Ist-Bestand älter als 10 Jahre
  • Neue Fenster mit Qualitätsvorgaben bezüglich Lärmschutz
  • Beitrag auf 20% bzw. 25% der Anschaffungs- und errichtungskosten begrenzt
  • Wenn Jahrestopf ausgeschöpft, dann keine Förderung im selben Jahr möglich
  • Antragstellung beim Stadtmagistrat.

Link zum Pdf: Förderrichtlinien Lärmschutz Flughafen

Anerkennens- und lobenswert ist ohne Zweifel die Bereitschaft von Stadtpolitik und Flughafen, den Flughafen als Lärmverursacher einzustufen und die daraus resultierenden Ansprüche der Anrainer formal anzuerkennen. Weshalb die Tourismusverbände insbesondere jener der Ballermannzentren, die von diesen Touristen ausschließlich profitieren, keinen Beitrag leisten, ist unklar und sollte auch politisch hinterfragt werden.
Über die Effizienz und Zielgenauigkeit der jetzt gültigen Maßnahmen lässt sich derzeit kein Urteil abgeben. Gegebenenfalls müssen die jetzt geltenden Randbedingungen (insbesondere die Grenze 60 dB Dauerschallpegel) im Verlauf des Jahres aber spätestens Ende 2015 einer kritischen Beurteilung und einer Adaptierung unterzogen werden.

Bericht TT: Weniger ist mehr: Schutz vor Fluglärm startklar